Interview mit Pfarrer Hae-Ung Chai - Pfarrer zur Probe in der Auferstehungs-Kirchengemeinde Oberhausen-Osterfeld, vom Mai 2023 

Auf dem Bild von links: Alina und Thalea Buchenau und Pfarrer Hae-Ung Chai


Redaktionsteam: Wie heißen Sie?

Pfarrer Chai: Ich heiße Hae-Ung Chai.

Redaktionsteam: Möchten Sie uns Ihr Alter verraten?

Pfarrer Chai: Ja, ich bin 42 Jahre alt; im Juli werde ich 43.

Redaktionsteam: Wie lange sind Sie schon Pfarrer*in?

Pfarrer Chai: Seit 2016. Im November 2016 wurde ich ordiniert, dann sind es sieben Jahre.

Redaktionsteam: Wie lange sind Sie schon in unserer Gemeinde?

Pfarrer Chai: Seit Mai 2022, jetzt so knapp ein Jahr.

Redaktionsteam: Wie sind Sie zu dem Beruf Pfarrer*in gekommen?

Pfarrer Chai: Eigentlich wollte ich nicht Pfarrer*in werden. Mein Vater ist auch Pfarrer. Er ist Theologe in Süd-Korea, aber er hat mir niemals gesagt, dass ich Pfarrer*in werden soll.

Es ist in Korea so; Wenn ein Elternteil Pfarrer*in ist, dann wünschen die Eltern sich normalerweise, dass auch eines ihrer Kinder Pfarrer*in wird. Bei meinem Vater war das eigentlich nicht so, er hat mir so etwas nie gesagt.

Eigentlich wollte ich daher auch kein Theologe werden (lacht), eigentlich wollte ich eher Pilot werden. Aber irgendwann beschäftigten mich in meinem Leben viele Fragen. Zum Beispiel: Warum tickt die Welt so, wenn Gott existiert? Nach einem Gottesdienst hatte meine Großmutter einmal einen Unfall, bis zu ihrem Tod musste sie danach über zehn Jahre im Bett liegen bleiben, weil sie ganz gelähmt war. Demenz hatte sie dann später auch. Das hat mich betroffen und nachdenklich gemacht.

Als ich - glaube ich - 16 Jahre alt war, gab es einen Brandfall in einer Jugendherberge, wo dann viele Kinder in diesem Brand gestorben sind. Da kam in mir die Frage auf: Okay, warum muss das passieren, wenn es Gott gibt? Ich wollte eine Antwort auf diese Frage finden und deswegen habe ich mich später entschieden, Theologie zu studieren.

Redaktionsteam: Was mögen Sie an Ihrem Beruf am meisten?

Pfarrer Chai: Das man viele, verschiedene Menschen jeden Tag treffen kann.

Redaktionsteam: Gibt es etwas, dass Sie an Ihrem Beruf verbesserungswürdig finden?

Pfarrer Chai: Ich bin so ein Typ, der versucht positiv zu denken, deswegen gibt es da eigentlich nicht so viel, was ich verbesserungswürdig finde. Eigentlich nichts (lacht). Es fällt mir jetzt gerade nichts ein. 

Redaktionsteam: Was haben Ihre Eltern, Verwandte oder Freunde dazu gesagt, als sie erfahren haben, dass Sie Pfarrer*in werden wollten?

Pfarrer Chai: Mein Vater hat sich natürlich sehr gefreut, weil - wie gesagt - er hat mich nie dazu gepushed. Meine Mutter einerseits auch, aber da meine Eltern sehr jung waren, als sie geheiratet haben, weiß sie auch viel darüber, wie ein Leben als Frau eines Pfarrers in Korea ist. Da ist das Spotlight nicht nur auf der Pfarrperson, sondern es gilt auch für die Pfarrersfrau, deswegen muss sie auch ein Vorbild sein. Das macht auch sehr viel Stress. Daher hat meine Mutter sich auch Sorgen über mich mit meiner Entscheidung gemacht, weil es kein einfacher Weg ist. Auch für meine zukünftige Frau ist hat sie sich Sorgen gemacht, denn es könnte auch für sie etwas schwierig werden. Aber beide haben sich eigentlich gefreut.

Ich hatte eine gute Freundin in unserer Gemeinde, sie sagte sie hätte es überhaupt nicht erwartet, dass ich mich entscheide, Theologie zu studieren. Ich war ja nicht so ein “braver“ Junge damals (lacht). Sie hat auch viel von meiner Jugend mitbekommen und sie hatte mir auch ganz ehrlich gesagt, dass sie für mich viel gebetet hat (Lachen). 

Da war ich überrascht. Aber wie gesagt: Die meisten von meiner Familie und die Verwandten haben sich gefreut. 

Redaktionsteam: Denken Sie, dass andere Menschen Vorurteile über Ihren Beruf haben?

Pfarrer Chai: Es gibt Vorurteile, ja. Viele Menschen denken, Pfarrer*innen sind immer nett (lacht). Das sind sie ja auch meistens. Aber sie sind auch ganz normale Menschen. Ich habe halt alles, was andere Menschen auch haben.

Ich gebe ein Beispiel: Vor kurzem hatte ich ein Schulpraktikum und da hatte ich die Gelegenheit die Kinder zum Sportfest zu begleiten. Da die Kinder halt chaotisch waren, habe ich ganz bewusst zweimal „Jungs“ gerufen. Nachher kam dann ein Junge zu mir und sagte: „Äh,…aber sie sind doch Pfarrer“ (lacht). Ja, aber ich bin auch ein Mensch. Eine Mutter meinte später zu mir: „Ja, ich dachte, da sie Pfarrer sind, müssen sie immer lächeln und sind ganz froh. Ich wusste gar nicht, dass sie auch so einen Ton haben können.“ 

Ich kann schon sagen, dass es viele Vorurteile sind, aber die meisten sind mehr positiv als negativ. 

Redaktionsteam: Was war Ihr erster Berufswunsch als Kind?

Pfarrer Chai: Berufswunsch…eigentlich hatte ich sehr viele. Aber ganz bewusst war’s Pilot. 

Redaktionsteam: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Pfarrer Chai: Meine Freizeit? (lacht). Ich mag es sehr gerne, Menschen zu treffen ihnen zuzuhören oder auch über mich zu erzählen. Ich verbringe auch viel Zeit mit meiner Familie. Ich habe drei Kinder, die noch ein bisschen klein sind. Und meistens fragen sie: „Was machen wir heute? „Gehen wir schwimmen?“.

Wenn ich jemanden außerhalb meiner Familie treffe, dann sind das meistens meine Freunde.

Redaktionsteam: Wie sehr verbinden Sie Ihre Arbeit mit dem privaten Leben?

Pfarrer Chai: Ich glaube für fast alle Pfarrer*innen auf der ganzen Welt ist es sehr schwierig, das private Leben von dem Berufsleben zu trennen. Auch wenn man Arbeitszeiten hat, ist es für den Beruf des/der Pfarrer*in nicht so, dass man nur von 8:00 bis 16:00 Uhr arbeitet, das geht halt nicht. Es können auch Anrufe noch um 20:00 oder 21:00 Uhr kommen. Wenn man in Korea Pfarrer*in ist, kommen dann auch noch Gemeindemitglieder und man unterhält sich oder macht Seelsorge für ein paar Stunden. Deswegen ist es eigentlich schwierig, sein privates Leben von seinem Beruf zu trennen, aber man muss es versuchen und das gelingt in Deutschland eigentlich besser.

Redaktionsteam: Wie würden Sie Ihre Arbeit in drei Worten beschreiben?

Pfarrer Chai: Bunt, lebendig und geistlich.

Redaktionsteam: Wenn Sie in der Zeit zurückreisen könnten, würden Sie sich wieder für den gleichen Beruf entscheiden?

Pfarrer Chai: Nein, weil ich überzeugt bin, dass ein*e Pfarrer*in viel Erfahrung im Leben haben sollte, nicht nur in diesem Beruf.

In Korea ist es wichtig, regelmäßig zum Gottesdienst zu kommen. Ich habe auch, als ich noch in Korea war, jeden Sonntag vor 300 400 Gemeindemitgliedern gepredigt. Man sollte eigentlich ähnliche oder gleiche Erfahrungen haben, wie die Leute, die einem gegenübersitzen. Und da das Gehalt der Pfarrer*innen in Korea aus den Kollekten kommt, also direkt von der Gemeinde, gibt es halt sehr reiche Pfarrer*innen, aber auch sehr arme. Ich wollte nicht, dass mein Gehalt von der Kirche kommt. Ich wollte lieber die Erfahrung haben, wenn zum Beispiel ein Gemeindemitglied kommt und sagen würde: „Ey, weißt du wie schwierig es ist Geld zu verdienen?“, dann ganz bewusst zu antworten: „Das weiß ich, da ich eben auch diese beruflichen Erfahrungen gemacht habe“. Dann weiß ich wirklich, wie schwer es in der Gesellschaft ist, Geld zu verdienen.

Solange ich Christ bin, an Gott und an Jesus glaube und versuche dem Weg zu folgen, kann man nicht nur als Pfarrer*in und Theolog*in versuchen das Reich Gottes hier auf dieser Welt zu erfüllen, sondern auch in allen alltäglichen Sachen. Deswegen würde ich sagen: Pfarrer*in als Beruf reicht nicht – es geht auch ganz viel um Lebenserfahrung.

Redaktionsteam: Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Pfarrer Chai: Natürlich (lacht) gibt es ein Leben nach dem Tod. Als Christ glaube ich an das ewige Leben. Das Leben hier auf dieser Welt endet zwar, aber ein Leben geht weiter in einer anderen Form, im Reich Gottes. Dieses wird aber bestimmt nicht so aussehen, wie Körper, Geist und alles drum und dran.

Redaktionsteam: Vielen Dank für das Interview.

Pfarrer Chai: Ich danke euch auch für eure Fragen und das interessante Gespräch.

 

Interviewer*innen: Alina und Thalea Buchenau